Was ich ja toll finde, ist das wir alle unbeschränkt auf unser komplettes Schulwissen zugriff haben. Egal ob einer bis zur 9. Klasse oder bis zu 13. in die Schule gegangen ist, wir alle können spielend leicht die Geschichte von der Geburt von Romulus und Remus und somit der Gründung Roms erzählen, weil es ja der Lehrinhalt des Lehrplanes der 6. Klasse ist.

Nichts leichter als das, kurz in unseren Kopf geschaut und schon Sprudeln Daten, Fakten, Zahlen. Ebenso ist für uns alle natürlich kein Problem den Rauminhalt eines Kegels zu bestimmen, weil wir das ja in der 9. Klasse gelernt haben. Wir haben keine Schwierigkeit die Einflüsse der außereuropäischen Kunst und Kultur auf die Kunst der frühen Moderne zu beschreiben, weil wir das ja schließlich in der 10. Klasse hatten und somit einfach nur in unserem Gehirn-Archiv blättern müssen und zack, da ist die Antwort.
Der Nutzungsgrad unseres Bildungssysteme ist schlicht genial. Wie? Ist bei Euch nicht so?
Ja was ist denn bei Euch passiert? Habt Ihr etwa in der Schule nicht aufgepasst? Doch, wahrscheinlich habt Ihr aufgepasst. Vielleicht seid Ihr sogar richtig gut gewesen, aber leider ist der Nutzungsgrad unseres Schulsystems beschissen, ja beschissen, anders kann man ein System nicht nennen, bei dem über 90% des vermittelten Inhalts für den lernenden nicht mehr abrufbar sind. Und so verhält es sich nun mal mit Schulwissen.

Jetzt frage ich mich, warum – wenn wir das doch wissen – wir in dieser Zeit von COVID-19, wo unsere Kinder zu Hause bleiben müssen, dort mit Ihren Eltern zusammentreffen, die vielleicht Homeoffice machen, sich vielleicht Sorgen um die Zukunft Ihres Jobs machen, in Kurzarbeit sind, mit weniger Geld auskommen müssen, vielleicht Selbständige sind und um ihre Existenz bangen, warum wir diesen Eltern jetzt auch noch aufbürden, dass sie sicherstellen müssen, dass die Kinder sich weiter mit dem nachweislich völlig ineffektivem System „Schule“ beschäftigen müssen.
Was wäre denn passiert, wenn wir gesagt hätten: „Gut, wegen Corona fällt ab März 2020 bis zum Schuljahresende die Schule aus. Wir machen nächstes Schuljahr mit dem Schulstoff vom März weiter und wahrscheinlich werden wir dann den Stoff nicht aufholen, sondern unsere 9. 10. 12. oder 13. Klässler werden mit einem halben Jahr weniger Lerninhalt aus der Schule aussteigen.“ Wo wäre das verdammte Problem gewesen?
Die Kinder hätten ein halbes Jahr weniger Stoff gelernt, von dem Sie eh 5,4 Monate (90% von 6) wieder vergessen hätten.
Statt dessen hören wir von völlig fertigen Eltern, die verzweifeln, weil sie ihre Kinder zum Schulstoff bringen müssen. Wir hören von stark unter Druck geratenen familiären Situationen, weil die Stimmung kippt, nur noch geschrien wird, die Kinder toben und die Eltern durch drehen. Komisch, dass in einer solchen Situation häusliche Gewalt zunimmt. Nicht allein deswegen, aber deeskaliert haben wir die Situation bestimmt nicht.
Von den Chancen möchte ich gar nicht reden, was die Kinder mit Ihrer Zeit alles anfangen könnten, wenn sie sauber angeleitet wären. Vielleicht würden sie sogar Sachen lernen, die zu mehr als 10% hängenbleiben. Aber wieder einmal schaffen wir Deutschen es nicht etwas in Frage zu stellen was wir für „Normalität“ halten. Kinder müssen in die Schule gehen oder beschult werden. Denn ein Mensch, der nicht mal gelernt hat, wie der Zitronensäurezyklus oder eine Redoxgleichung funktioniert ist gar kein Mensch.
Das war schon immer so, das wird immer so sein, das machen wir, ob es sinnvoll ist, oder nicht.